Ein Nachtrag in eigener Sache

Nichts von dem was ich hier schreibe, ist negativ gegenüber einer einzelnen oder Gruppe von Lehrkräften gemeint. Ich selbst befinde mich auch auf beiden Seiten des Problems. Ich habe schon viel zu viel gemacht, Weihnachten korrigiert, an Wochenenden bis in die Nacht gesessen oder auch Projekte nur auf Kante genäht mit dem minimalen Aufwand erledigt. Ich denke, vieles was wir Lehrkräfte tun ist, um den Druck zu minimieren. In einem System aus Regeln, Behörden und Verfahren, ist oft der Weg des geringsten Drucks, so viel zu machen wie es nur geht. Meiner Meinung nach ist das aber oft auf Kosten von einem selbst und ist auch nicht das Beste für alle anderen Beteiligten.

Auch falls es anders rüberkommt, kann ich gar nicht sagen, dass jemand etwas schlecht macht. Dazu müsste ich wissen, wie man es wirklich besser oder richtig macht. Das tue ich nicht. Bei den Diskussionen auf Twitter, habe ich gesagt, dass ich solche Beiträge grundsätzlich doof finde, weil ich keine Lösungen anbiete. Ich weiß nur den Ansatz eines Versuchs einer Lösung für mich. Das Problem ist meinem Empfinden nach systematisch, die Auswirkungen und der Umgang allerdings individuell. Solange so viel Druck und so wenig Unterstützung im System ist, hat das Auswirkungen vielleicht gesundheitlich, vielleicht privat, vielleicht kollegial vielleicht auch bei den Schüler*innen. Die Schüler*innen haben im System wenig Wahl, deswegen stehen sie bei mir über allem. Ich habe privat in den letzten Jahren einiges ruiniert und so dumm es klingt, muss mir mit 40 langsam mal Gedanken um meine Gesundheit machen. Bleibt die kollegiale Ebene. Ich möchte weder jemanden im Stich lassen, noch anmaulen, noch sein Leben in irgendeiner Art weniger schön machen. Trotzdem kommt es sicherlich mal zu Reibungen, die mir meistens mehr leid tun als es den Anschein hat.

Davon ungeachtet denke, selbst wenn man sich mal uneins ist, dass jeder an der Schule beteiligte Mensch irgendwie das Unmögliche jeden Tag möglich macht. Persönliche Unzufriedenheiten berühren den großen Respekt vor dieser Leistung nicht.

 

Mit mir nicht mehr.

Ich ächze. Nicht nur, weil an der Tastatur zur Zeit gute 30°C sind. Der Klimawandel wird zunehmend spürbar. Sichtbar ist er schon lange, es muss nur auf die Kosten der letzten 20 Jahre durch Extremwetter in Deutschland geschaut werden. Aber deswegen stöhne ich hier nicht. Kurz vor Ende der Ferien, kreisen die Gedanken wieder um die Schule. Einer weiteren Katastrophe, die noch wesentlich spürbarer werden wird.

In den letzten Jahren wurde sehr viel diskutiert, was gute Lehre sei. Medieneinsatz, Unterrichtsformen, Verteilungsschlüssel und natürlich Lehrpläne wurden betrachtet. Zu einem wirklichen Ergebnis kam man nicht. Nein, das ist falsch. Es gab sehr viele gute Ergebnisse, die allesamt nicht umgesetzt wurden und werden. Stattdessen häufen sich Lehrer*innen- und Schulpreise, Leuchtturmprojekte und Modellinitiativen. Dadurch ändert sich gar nichts, durch Corona schon.

Das Bild vom Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, greift hier, ist aber nicht absurd genug. Es ist der Tropfen der Spitze einer Flutwelle, die das Fass mit sich gerissen hat. Zuerst schien es nicht unmöglich, aus den Trümmern etwas Neues aufzubauen. Lehrkräfte hatten auf ein Mal Freiraum didaktisch und pädagogisch Flexibel zu werden. Jedoch zeigte sich im letzten Jahr, wie stark die Beharrungskräfte sind, die zurück ins alte System wollten. Schule vor und mit Corona sind zwei ganz unterschiedliche Welten geworden. Es passt nicht mehr. Trotzdem auf eine gleichgültige und kalte Art das eckige Blöckchen in das runde Loch gehämmert. Der Druck auf alle Beteiligten steigt. Die Politik hämmert, die Eltern ziehen sich zurück, nur Lehrkräfte und Kinder sind gefangen.

Wobei Lehrer*innen natürlich mehr Wahl haben als die Kinder. Daher auch der Lehrkräftemangel. Aber anstatt etwas an den Umständen zu ändern, wird nun versucht, die Lehrkräfte zwangszuverpflichten. Spätestens das besiegelt den Unwillen etwas zu ändern. Spätestens hier dachte ich mir: Mit mir nicht mehr. Die letzten sechs Monate, waren die schlimmste Arbeitsphase meines Lebens. Der Druck entlädt sich zwischen Kolleg*innen, die Kinder spüren wie sinnlos alles ist und die Eltern laden die Verantwortung auf uns ab. Keinem mache ich einen Vorwurf. Alle sind überfordert! Und der Druck steigt weiter. Wie mit mir während und nach meiner Corona-Erkrankung umgegangen wurde, brachte den Stein für mich ins rollen. Egal, ob du 45, 50, 60 Stunden arbeitest, es zählt, was du mal nicht schaffst.

Es ist dank der vielen fleißigen und motivierten Lehrkräfte, dass das System noch läuft. Was ich sonst als Lob meine, klingt für mich jetzt wie eine Anklage. Wir halten das System am laufen. Wir sind die Enabler, die eine toxische Beziehung als normal deklarieren, die ein Alkoholproblem klein reden, die ständig sagen „er hat es ja so nicht gemeint.“ Wir schaden uns damit nicht nur selbst, sondern auch den anderen Kolleg*innen. Wir vermitteln das Bild, es sei normal aus dem Krankenhaus Mails zu beantworten oder mit hohem Fieber noch mündliche Prüfungen zu machen. Wir zeigen, dass es normal ist sechs Tage die Woche zu arbeiten, weil man am Sonntag ja „nicht so viel macht.“ Wir bauen Peer-Pressure auf, der seinesgleichen sucht. All das, um die Maschine am laufen zu halten. All das aus Prinzip und auch für die Kinder.

Aber nutzt das den Kindern? Für das, was wir reinstecken, sind die Aufstiegschancen in Deutschland miserabel. Es hängt nicht von dir ab, egal wie hübsch deine Arbeitsblätter sind, egal wie didaktisch profund dein Einstieg war oder wie wissenschaftlich deine Problemorientierung. Es hängt von dem Einkommen der Eltern ab. Wem hilft es denn wirklich, dass so viel gemacht wird?

Mit mir nicht mehr. Ich erfasse jetzt meine Arbeitszeit und höre nach 42 Stunden auf und bevor es jemand sagt, natürlich erfasse ich auch den Durchschnitt mit den Ferien. Es tut mir für alle Kinder leid, wenn ich in Zukunft weniger da bin und mein Unterricht noch langweiliger wird (ja, in Corona wurde er schon schlimm). Es tut mir für die Kolleg*innen leid, wenn Arbeit liegen bleibt und mal etwas nicht klappt. Aber es muss nicht klappen. Es muss scheinbar auch mal etwas zu Bruch gehen. Nicht absichtlich, aber wenn wir aufhören 120% zu geben, dann geht automatisch irgendwann etwas kaputt. Jedoch wenn wir weiter machen, geht auf lange Sicht Vieles verloren. Daran muss ich ganz besonders jetzt denken. Bei 30°C vor meiner Tastatur. Wegen des Klimawandels, den man nicht mal jetzt ernst genug nimmt, um etwas wirklich zu ändern. Und Schule? Schule läuft doch. Dabei habe ich zum ersten Mal seit den ersten Tagen des Referendariats wieder Albträume über Schule. Nein.

Mit mir nicht mehr.

 

I’ll go until my heart stops

Between the seasons we find room

36 Crazyfists – I’ll go until my heart stops

Liebe fragt nicht, wo Platz ist. Man kann sich immer noch dagegen entscheiden ihr zu folgen. Zurückhaltend geht es im inneren Monolog dabei nicht zu. Das Ob, das Wie, das Was Wäre Wenn – alles unwichtig.

And I like the way your lips turned legendary
And I like the way the sun will come to light
And I like the way your lips turned legendary
And I like the way the sun will come to light

Manchmal wird man weggefegt und möchte sich gar nicht wehren. Hast du schon mal deine Lippen gesehen? Selbst wenn man über Konsequenzen nachdenkt. Hast du dir schon mal wirklich in die Augen gesehen? Selbst man versucht, vernünftig zu sein, gewinnt auch mal das Herz. Warum auch nicht? Jede gute Entscheidung, kann auch im Chaos enden. Davon habe ich so einige.

But it won’t be long until it’s your very last goodbye
Decide to make it hard to find, but make it

Eine schwierige Entscheidung, muss auch nicht automatisch schlecht sein. Schlecht ist das Vermissen, das Verlangen und die unterschwellige Angst, die man manchmal hat. Los zu lassen, macht mir Angst. Aber nichts, das wertvoll ist, ist immer einfach. Und du bist so wertvoll, dass ich hoffe, du kommst immer wieder zurück zu mir.

And if you decide that you need a thousand heartaches
A thousand heartaches
Heading to this hotel room, was the greatest mistake
The greatest mistake

Und so ist aus einer schlechten Entscheidung, einem Hotelzimmer und einer kleinen Fehleinschätzung der Konsequenzen, etwas wundervolles geworden. Und nicht nur ein kleiner Flirt. Ein unvernünftiger Fehler als Grundstein dafür, dass Konsequenzen plötzlich zwar nicht egal sind, sondern gerne getragen werden. Mühe für dich fühlt sich schon egoistisch an, weil ich so viel bekomme.

And I want this all to be just necessary so when the darkness comes we won’t need the light
And I want this all to be just necessary so when the darkness comes we won’t need the light

Die Entfernung zu dir ist nicht mehr hinderlich, sondern der Weg zu dir ist notwendig geworden. Weil es nicht darum geht, ob man eine Fernbeziehung will oder wie regelmäßig man sich im Arm halten kann. Sondern all das ist nötig, damit wir einen Weg zusammen finden können. Den man zusammen geht. Anstrengend oder nicht. Hier ist der Weg wirklich das Ziel und nichts bringt mich dazu zu stoppen.

But it won’t be long until it’s your very last goodbye
Decide to make it, between the seasons we find room
Between the seasons we find room to breathe out
Between the seasons we find room to breathe out

Also gehen wir gemeinsam diesen Weg, halten unsere Atem an und Hand in Hand bald gemeinsam wieder aus. Immer in den kleinen Räumen, den Momenten geteilter Zweisamkeit. Denn wenn jemand mein Herz zu schlagen bringt, gehe ich auch weiter bis es stoppt. Ich bin froh, dass es dich gibt.

36 Crazyfists – I’ll go until my heart stops

 

Lasst das Schulsystem sterben

Nach über zwei Jahren Pandemie, habe ich nun auch das letzte Puzzleteil gefunden und seit gut zwei Wochen Corona. Als jemand, der stolz auf das ist, was er tut und weiß, was er kann, habe ich mich beruflich noch nie so wertlos gefühlt, wie jetzt. Letztendlich durchlebe ich gerade einen leichten Verlauf bei Corona. Das bedeutet aber trotzdem, dass sich mich so schlapp fühle wie noch nie und auch nach zwei Wochen noch nicht wieder richtig atmen kann. Angesteckt habe ich mich wohl in der Oberstufe, in meinem Jahrgang gab es so viele Fälle, dass dieser für 10 Tage komplett ins Distanzlernen geschickt wurde. Trotzdem gehe ich morgen wieder zur Schule. Sowohl Abi als auch Zeugnisse rufen. Protokolle müssen gemacht und Häkchen gesetzt werden.

So zählt auch weniger wie es mir geht, sondern wann ich wieder komme. Es gibt keine Handhabe dafür, wenn man seine Noten wegen Krankheit nicht abgeben kann. Es gibt keine Handhabe dafür, wenn man die Abiturprüfungen nicht durchführen kann. Es gibt scheinbar keinen Platz dafür, dass Menschen auch mal nicht funktionieren. Und seit Corona, hat der Mensch in der Schule immer weniger Platz. Jeder Spielraum wird davon aufgefressen, so standardisiert wie möglich weiter zu machen. Nur zu Erinnerung, das sage ich als jemand, der Noten und Sportunterricht gut findet und meint, man solle auch an einer IGS das Niveau weit oben halten. Aber all den Druck, die Regeln und auch die Hilfen, die ich befürworte, sollen am Ende dafür dienen, dass es Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen gut geht. Dass sie zufriedener aus der Schule rauskommen als sie reingegangen sind. Vor allem auch eines: Schule soll niemandes Lebenszeit verschwenden.

Jedoch wird mir gerade noch mal sehr deutlich bewusst gemacht, dass es gar nicht um mich geht, nicht um das Kollegium und vor allem nicht um die Schüler*innen. Es geht darum, dass die Vorgaben pünktlich (!) erfüllt werden. Vorgaben, die entweder existieren, weil das immer schon so war oder weil „weiß nicht.“ Ich konnte das so lange mit einer gewissen systematischen Wut und einem großen Optimierungswillen betrachten, wie ich mich nicht wie ein Asthmapatient gefühlt habe, der zurück in sein Arbeitslager soll.

Wenn ich das Gefühl hätte, ich würde den Schüler*innen damit etwas Gutes tun, so schnell wie möglich wieder da zu sein, wäre das leichter. So viele Schüler*innen sind in Deutschland gerade in psychiatrischer Behandlung. Meine Kolleg*innen pfeifen aus dem letzten Loch. Während guter Unterricht vor Corona selten möglich war, ist er es heute fast gar nicht mehr. Ich glaube fest an die 80-20-Regel und greife in Notfällen oft darauf zurück. Der letzte Notfall dauert jetzt 2.5 Jahre an und ich wäre froh, wenn ich überhaupt noch 80% schaffen würde.

Vielleicht bin ich das Problem, das muss ich in Betracht ziehen. Allerdings sind so viele Kolleg*innen in 20%-50% Teilzeit und Arbeiten immer noch 5-6 Tage die Woche. Es sind Menschen, die lieber auf Geld verzichten als ihre Aufgaben unter 100% zu erledigen. So gutherzig bin ich nicht. Vor allem auch, weil genau diese Menschen meist nicht weniger gestresst sind. Es ist einfach viel zu viel zu viel. Nur für wen tun wir das? Lehrkräfte, Schülerschaft und Eltern?

Ich denke, wir halten ein hirntotes System künstlich am laufen. Wir opfern uns, die Lebenszeit der Schüler*innen und viele gute Ideen und Liebe dafür, dass die Bürokratie weiter laufen kann. Es ist Zeit den Stecker zu ziehen.

Und dann etwas Neues zu machen.

 

Liebe. Voll.

Now that we’re worlds apart

I feel like a lesser man all balance outta control

World’s Apart – Emil Bulls

World’s Apart von Emil Bulls ist seit sehr langer Zeit mein Lieblingslied. Es ist Teil meiner musikalischen Heiligen Dreifaltigkeit. Technisch ist es wohl kein herausragender Song, aber er zeigt ungefiltert einen großen Teil meiner Persönlichkeit. Fast genauso lange ist es her, dass ich einfach schreiben musste. Mein alter Blog war dazu da, um das Ungefilterte zu sortieren und ihm eine konstruktive Form zu geben. Um die rohen Emotionen in etwas Nützliches zu verwandeln. Wegen der rohen Emotionen belächelt man als etwas älterer Mensch auch Teenager-Liebe. Weil Liebe eben sehr viel ist, besonders ohne die Gewissheit, dass man das Ganze – egal wie es läuft – schon überlebt. Mit dieser Gewissheit, verliert Liebe etwas den fiesen rechten Haken. Dachte ich und bekam jetzt einen Roundhouse Kick ins Gesicht.

State of mind strange and vain

Good night sleep tight

I can’t get a shut eye

Ich bin von Gefühlen überwältigt, die so viel größer sind als ich, der nur machtlos daneben steht und sich jetzt Wort für Wort und Zeichen für Zeichen seine Zurechnungsfähigkeit zurückerobert. Die Emotionen schlagen so hoch, dass ich anfange nicht wenig Demut zu empfinden, bevor ich vielleicht von einer Welle wegfegt werde. Teenager-Liebe kommt mir immer wieder in den Kopf während ich keinen Schlaf finde.

My spirit dissappears like breath on a mirror

Ich habe mehr Date-Erfahrungen als ich willig bin zu erzählen. Spätestens seit 8 Jahren baue ich da ein gewisses Expertentum auf, das ich mir lieber erspart hätte. Aber ich weiß, wie es knistern kann, wenn man wen kennenlernt, wie spannend Sex mit wem neues sein kann und wie schnell auch ein Gefühl von Verknalltheit wieder verschwinden kann. Genau wie früher mehr Lametta war, ist der Anfang immer schön. Ich habe Menschen kennengelernt, bei denen ich sofort sicher war (und richtig lag), dass daraus etwas Festes wird. Ich bin zwei mal nach wenigen Wochen mit jemandem zusammengezogen (und ein Mal war es eine gute Idee).

I need you more than you will ever know

Ich bin mir aber auch bewusst, dass anfängliches verknallt sein, verliebt sein oder wie ihr es auch immer nennt, nicht Liebe sein muss. Manchmal schwanken Gefühle, mal lernt man neue Facetten kennen, mal ändert sich das Zusammenspiel plötzlich. Wenn ich mich auf etwas schnell einlasse, dann nicht weil ich naiv bin, sondern weil es ein Risiko ist, das ich eingehe. Aber ich bin auch die hier sitzt, von der Naturgewalt Liebe entwurzelt wurde und sich sagt, dass es sich nur um einen Serious Case of Penisgesteuerte Verknalltheit handelt.

You’ve come to mean the world to me

Wie kann es denn sein, dass man jemanden auf Twitter kennenlernt und sich daraus die gefühlstechnische Götterdämmerung entwickelt? Auch hier bin ich mir, dank negativer Erfahrungen, wieder bewusst, dass online alles anders sein kann als offline. Mit anderen Worten, Lametta ist manchmal auch nur Alufolie vom Käsebrot, das 6 Wochen im Schulranzen vergessen wurde. Aber genau deswegen trifft man sich ja vorher auch mit anderen Leuten. Also ich zumindest. Dann verschwindet der Twitter-Crush schon in der unendlichen Flut der täglichen Eindrücke. Gut, in dem Fall habe ich mich dann geirrt. An andere Menschen denken, ist auch ein Konzept, das keine Zukunft hat. Aber genau deswegen ist man ja erwachsen genug, sich völlig rational auf ein Treffen einzulassen, um die Position mal ordentlich zu reflektieren. Problematisch sind dabei vielleicht die 976km Entfernung.

I wonder if you’re sleeping while I’m crying in my beer

Fair geteilt, ist das ja handhabbar. Zumindest für das eine Mal und ein zweites wird es sicher nicht geben. Lametta und so. Scheinbar dachten wir das auch beide so, es ist ja auch einfach. Keiner ist eine härtere Bitch als die Wirklichkeit. Wenn die uns links und rechts eine verpasst, dann muss man nicht mal mehr die richtigen Worte suchen, sondern das Wichtige ist offensichtlich und die Arbeit übernimmt unsere kleine Freundin die Enttäuschung. Pustekuchen. Es ist jetzt 26 Stunden nach dem „Tschüß“ und ich habe immer noch eine massive Leere im Magen, die schwerer wiegt als jeder Stein und nach und nach zum Schwarzen Loch wird. Ich habe jemanden getroffen, der anders ist als erwartet, der aber einfach nur ist und mir ganz nebenbei mehr gibt als ich in Worte fassen kann. Jemanden, der Zitat „Nichts besonderes“ macht und gerade an „Nichts“ denkt und damit mehr richtig macht als würde man mir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Jemand, der einfach nur sein kann. Mit dem man zusammen sein kann. Und dadurch mehr ist. Dein Nichts ist für mich mehr als die ganze Liebe anderer. Wenn ich keine Fotos machen kann, weil ich mich nicht von den Augen von jemandem lösen kann, dann ist das auch eine neue Erfahrung für mich.

We’re worlds apart

I wish you were here

Das Schwarze Loch im Magen lässt mich zittern und nicht wenig Tränen vergießen, weil ich überwältigt bin während ich mir immer wieder sage, dass so etwas noch lange keine Liebe sein kann. Verknallt sein kann schnell verschwinden und so kann das hier auch sein. So hat auch dieses Lied einen weiteren, etwas negativeren Teil und welche davon mehr Stimmen wird, das vage ich heute nicht zu sagen. Andererseits ist das hier ein langer Text voller Irrtümer. Dass ich von Emotionen mitgerissen werde, passiert schon mal. Das gehört zum kalkulierten Risiko. Dass ich von positiven Emotionen überwältigt werde, das ist neu. Genauso wie es für mich neu ist, dass ich manchmal nur schwer atmen kann, weil ich jemandem so sehr vermisse. Beim nachdenken über Liebe, komme ich immer wieder bei der Teenager-Liebe an. Die ungebremst, roh, naiv und fatalistisch ist. Man liebt jemanden voll – ist nicht nur liebevoll in seiner Anteilnahme – sondern liebt voll, mit jeder Faser seines Körpers. Nimmt dadurch Anteil, den anderen in sich auf, ist ungebremst in dem Moment und kann sich nicht mehr wehren. Ob das wieder verschwindet? Bestimmt nicht spurlos. Aber so sollte Liebe sein und das weiß ich wieder.

Liebe voll.

 

Haltung. Zeigen.

den Angriff Russlands auf die Ukraine haben, denke ich, alle mitbekommen. Jetzt kreisen in den Schulen scheinbar viele Diskussionen darum, wie damit umzugehen sei. Nicht nur wie, sondern auch ob die Ereignisse thematisiert werden sollen. Was das richtige Vorgehen sei und vor allem, die richtige Perspektive. Ich verstehe die Angst vor diesem Thema, aber ich teile sie nicht. Ebenso akzeptiere ich die Sorge, um einen Kontrollverlust. Kontrolle gibt es aber genauso wenig, wie unser Pult eine Schutzmauer gegen die Lebenswelt der Schüler*innen ist.

An den Schulen sind nicht nur Geflüchtete oder deren Nachkommen. Sondern auch Kinder deren Eltern jetzt bei der Bundeswehr in Alarmbereitschaft sind. Es sind junge Erwachsene, die sich mit ihren Familien über die Bewertung der Lage streiten, weil die einen die Süddeutsche lesen und die anderen Telegram Kanäle. Es sind Familien, die russisches und ukrainisches Migrationserbe haben und sich daran nun teilen. Unser Pult ist keine Schutzmauer vor der Lebensrealität der Schüler*innen. Es ist nicht optional, es ist unsere verdammte Pflicht:

die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln.

Bildungsauftrag der Schule §2 Abs. 1 NSchG.

Wer dabei Angst empfindet, ist realistisch. Wer dafür aber nicht den Arsch in der Hose hat, sollte vielleicht seinen Berufsethos überdenken. Es ist einfach, sich als Lehrkraft überlegen zu fühlen. Jedoch ist Schule nicht nur da, wo ein Lösungsheft bereit steht und Erwartungshorizont belegbar ist. Schule ist Lebensrealität. Es geht darum Haltung zu zeigen. Aufzustehen. Es geht nicht darum, die richtige Antwort zu zeigen, sondern mit den Schüler*innen zu sprechen. Menschen- und Völkerrecht sind nicht verhandelbar. Beide werden von Russland seid Jahren missachtet. Wer jetzt keine Haltung zeigt, der zeigt auch keine Haltung gegenüber der Demokratiefeindlichkeit, der Homophobie und der Fremdenfeindlichkeit, die von dort aus seit Jahren betrieben werden. Unsere Freie Demokratische Grundordnung wird seit Jahren unterwandert und das kommt über diverse Dienste auch bei uns an. Es sind Eltern, die Corona leugnen, es Schüler*innen, die mit Reichsbürgermentalität erzogen werden und es sind Menschen, die den Staat ablehnen. Wenn ihr im Unterricht Fehler macht, dann ist das nur menschlich. Es ist auch viel besser als Fake-News das Feld zu überlassen.

Es ist Teil unserer Lebensrealität, dass wir in einem Staat Leben in dem Politiker erschossen wurden, weil sie freundlich gegenüber Flüchtlingen waren. Wir leben in einer Gesellschaft in dem Menschen ihren Migrationsschatz mit uns teilen und währenddessen von einer Terrorgruppe umgebracht werden und dann als Döner-Morde kategorisiert werden. Ich bin mir bewusst, dass Migration an Schulen nichts einfacher macht. Ich spreche drei Sprachen, kann Hurensohn inzwischen aber auf neun Sprachen übersetzen. Ich löse an meiner Schule Konflikte Schiiten und Sunniten. Nichts davon wird mir entlohnt und es kommt nur auf das Konto der unzähligen Überstunden. Dafür tragen aber nicht die Kinder die Verantwortung.

Wir brauchen das Rückgrat, um hier nun für neue Menschen mit einem anderen Migrationserbe grade zu stehen. Es liegt an uns Ungerechtigkeit und Hass etwas entgegen zu setzen. Solange unsere Sorge Kontrollverlust in 45-Minuten-Zyklen ist, ist noch alles gut. Zeigt Haltung. Sorgt dafür, dass es so bleibt. Und ja: Alles wird schwerer. Aber Migration ist ein Schatz, der auch alles schöner macht.

 

Bildungsvollzug

Der Systemwechsel ist geglückt. Unsere Schule befindet sich jetzt wieder im eingeschränkten Regelbetrieb. Damit ist Szenario B vorbei und die Vorteile des hybriden Lernens zwangsweise wieder abgeschafft. Jedoch ist das nicht der Systemwechsel, den ich meine. Schulen waren bis vor Kurzem Bildung und Anstalt zu ungefähr gleiche Teilen. Jetzt befinden wir uns im Bildungsvollzug. Mit einer großen Betonung auf Vollzug. Als Lehrer fühle ich mich einem Wärter einer Vollzugsanstalt wesentlich näher als dem Didaktiker, der ich versucht hatte zu sein.

Die Kritik am hybriden Lernen oder Home Schooling ist überall und in großen Teilen richtig. Ja, es bleiben einige Schüler*innen zurück. Ja, es ist unverhältnismäßig unfair für einkommensschwächere Familien. Ja, der Druck auf das Elternhaus steigt. Ja, bildungsfernere Schichten haben es ungleich schwerer. Aber diese Nachteile wiegen nur schwer, wenn man sie mit dem Normalzustand vergleicht. Wir haben keinen Normalzustand.

Wir wissen keinen Tag, ob wir am Ende des Tages in Quarantäne sind. Zwei Mal ist das seit den Ferien schon passiert. Unterricht entfällt wegen kranker Kollegen und einer größeren Vorsicht bei Symptomen auf beiden Seiten. Trotzdem muss dasselbe Pensum in weniger Zeit geschafft werden. Man muss Kontakte mit Schüler*innen vermeiden, statt Ihnen im Unterricht zu helfen. Extrem gestiegene Bürokratie, die die Schulen versucht offen zu halten, frisst die Zeit, die eine offene Schule bräuchte. Dazu das mulmige Gefühl, die geringe Planbarkeit. Da bleibt für wirkliches Lernen, wirkliche Schule weder Zeit noch Nerven übrig. Was bleibt denn noch von der Schule ohne die Menschen? Noten – und keine gerechten.

Wir könnten jetzt anpacken und die Fehler, die ich aufgezählt habe aus der Welt schaffen. Es sind keine unüberwindbaren Probleme. In der ersten Welle hat das meine Schule phantastisch gemacht. Aber so Deutsch, wie wir sind, müssen wir alle Energie darin stecken, dass sich bloß nichts verändert. Wir haben solche Angst vor Veränderung, dass es sogar die Angst vor einer Pandemie übersteigt. Das wird nun auch sichtbar, wenn wir 20 Millionen für Eltern und Aushilfen ausgeben, um die Schulen bloß offen zu halten. Die Bildung muss vollzogen werden, die Zeugnisse bleiben sicher. Ich frage mich, wie viele sozial schwachen Schülern man für 25 Millionen einen Laptop kaufen kann und wie viele geschulte Sozialpädagogen für die restlichen 20 Millionen ihnen wirklich helfen könnten. Bildungsvollzug ist lebenslänglich mit Chance auf Bewährung.

Niedersachsens Schulplan: Raumlüfter, mehr Lehrer – und Eltern als Betreuer auf 450-Euro-Basis

Niedersachsen stellt zusätzlich 45 Millionen Euro bereit, um den Schulen in der aktuellen Phase der Corona-Krise zu helfen. Allein 20 Millionen sind für die Einstellung von Betreuern ohne pädagogische Vorkenntnisse vorgesehen – sie sollen sich bereits ab Mittwoch bewerben können.

https://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Niedersachsens-Schulplan-Raumluefter-mehr-Lehrer-und-Eltern-als-Betreuer-auf-450-Euro-Basis

 

Offen gestanden

Das Netz ist geduldig, ansonsten würde es schon überquellen vor Meinungen zur Verhältnismäßigkeit der aktuellen Corona Maßnahmen. Offen gestanden muss ich zugeben, dass ich dieses Mal nicht weiß, ob mein Artikel nur zur Kakophonie beiträgt oder darüber hinaus etwas leistet. Ich möchte keinen Vergleich zwischen der Gastronomie und den Schulen herstellen. Hier soll nicht diskutiert werden, warum das eine geht und das andere nicht. Ich möchte lediglich darstellen, wie die Öffnung meiner Erfahrung nach gerade aussieht.

Die Gründe für die Offenhaltung der Schulen sind nachvollziehbar. In der Zeit der Schulschließung ist die häusliche Gewalt stark gestiegen. Einige Schülerinnen und Schüler zeigen große Anzeichen von Vernachlässigung und die Situation hat für sehr viel Stress bei ihnen gesorgt. Darüber hinaus halten die Schulen der Wirtschaft den Rücken frei, indem die Eltern weiterhin produktiv am Erwerbsleben teilnehmen können.

Schule hat einen gesellschaftlichen Auftrag zu dem die soziale Komponente genauso gehört, wie der Bildungsauftrag. Während wir die soziale Seite im Moment noch überwiegend erfüllen, kommt der Bildungsauftrag meiner Ansicht nach zu kurz. Mehr noch, er wird ad absurdum geführt. Es ist sehr schnell zur identifizieren, worum es in Niedersachsen geht. Zentraler Aspekt ist die Sicherstellung der Notengebung, so steht es auch wortwörtlich in den aktuellen Erlassen. Offen gestanden sieht es so aus als wäre der Bildungsauftrag in ein Prüfungsgebot verwandelt worden. Quintessentiell scheinen Noten zu sein und nicht, was die Schüler*innen dabei lernen.

Der Druck ist dabei auf die Schüler*innen enorm. Die Unregelmäßigkeiten durch Corona und Krankheitsfälle sorgen für große Verunsicherung. Es fallen Unterrichtsinhalte weg, es gibt größeren sozialen Klärungsbedarf und den Schülerinnen und fällt es enorm schwer, sich zu konzentrieren. Das betrifft nicht nur schwächere Schüler*innen, sondern auch sehr viele der starken. In der Lehramtsausbildung hört man immer wieder das Wort Ritualisierung. Für Schüler*innen jedes Alters ist eine verlässliche und beständige Regelung des Unterrichtsablaufs ungemein wichtig. Im Moment gibt es nur ritualisiertes Chaos. Falls wir jetzt noch Ziegen opfern würden, könnte man meinen, wir feiern eine anarchistische Messe.

Der Druck auf die Kolleginnen und Kollegen ist ebenso enorm. Die Arbeitsbelastung ist viel größer und statt einer Entlastung gibt es viele zusätzliche Regeln, mehr Papierkram und ein Roulet mit der Gesundheit anderer. Ich selbst bin gerade in Quarantäne und es ist nicht ruhig. Wir Lehrer sollen die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt übernehmen. Wir Lehrer sollen dafür Sorgen, dass die Menschen zu ihren Tests kommen. Wir müssen mit den Schülern und Eltern reden. Und ganz nebenbei hat man noch Angst, um seine Gesundheit.

Es geht mir nicht darum zu sagen, dass es uns besonders schlecht geht. Da geht es dem Restaurant um die Ecke wesentlich schlechter. Ich möchte, dass mit einem realistischen Blick auf die Schulen, die Schüler*innen und die Kolleg*innen gesehen wird. Für mich ist das Fazit dieser Betrachtung: Die Schulen sind offen, das ist auch alles.

Offen gestanden verliere ich auch das Vertrauen in die Schulleiter*innen, nachdem ich schon das Vertrauen in die (Kommunal)Politik verloren habe. Auch auf schulischer Ebene scheint es einen Wettbewerb darum zu geben, wer unter schlechten Bedingungen noch am meisten hinbekommt. 80%, 90%, 100% der Stundentafel? Wer bietet mehr? Auch in den Schulen scheint es kaum um eines zu gehen: Wie geht es den Schülerinnen, Schülern, Lehrern und Lehrerinnen? Wie verkraften sie es? Was passiert mit den Menschen? Welchen Preis zahlen wir an dieser Ecke?

Wir könnten dauerhafte Lösungen im Hybrid-Unterricht finden. Wir könnten die Stundentafel auf das Wichtigste reduzieren. Wir könnten auch mal Arbeiten ausfallen lassen. Wir könnten so viel. Aber alles was wir könnten wird darauf ausgerichtet, dass Politiker*innen, Schulleiter*innen und viele mehr nach der Krise einen Satz sagen können:

„Dank meiner Bemühungen haben die Schulen offen gestanden.“

 

Zurück in die Zukunft

Warum wir die Schule lieber gegen die Wand fahren als nach Neuland und was das mit Marty McFly zu tun hat.

Meine Kindheit spielte sich irgendwo zwischen „Zurück in die Zukunft“ und „Zurück in die Vergangenheit“ ab. Auf der einen Seite Michael J. Fox mit dem großartigen Auto, das eigentlich fast nie gefahren ist und auf der anderen Seite Scott Bakula, der von Leben zu Leben sprang als wären es Airbnbs. Gespannt folgte ich Marty wie er knapp dem Inzest und damit seiner eigenen Vernichtung entging (der Film wäre etwas für Freud) oder wie Sam von Leben zu Leben sprang. Neue Geschichten, neue Welten. Erst später habe ich gemerkt, dass in beiden Formaten gar nicht um die Zukunft ging, sondern darum zurück zu gelangen, wo man hergekommen ist. Es war eben nicht die Suche nach etwas Neuem, sondern der Versuch den status quo wiederherzustellen. In diesem Sinne wundert es mich kaum noch, dass wir während Corona lieber gegen die Wand fahren als nach Neuland.

Einerseits möchte ich nicht nur von meiner Schule sprechen, andererseits kann ich auch wirklich nur von meiner Schule sprechen. Ich arbeite nur an dieser Schule, sie ist deswegen für mich exemplarisch. Meiner Meinung nach kann ich diese Entwicklung trotzdem generell beobachten. Jede Lehrkraft gibt bei uns im Durchschnitt 110%, das liebe ich hier. Der Durchschnitt umfasst auch die, die weniger geben, weil sie andere Dinge im Kopf haben, was meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung ist. Arbeit ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Die unglaubliche Leistungsbereitschaft für die Schule und die Schüler*innen scheitert an Schule an sich.

Corona hat verdeutlicht, welche Probleme es schon lange gab und neue dazu geschaffen. Trotzdem wollen wir mit aller Macht zurück in die Vergangenheit. Diese gibt es nur eben nicht mehr. Es ist kein Film. Schule besitzt unglaubliche Beharrungskräfte, sowohl ideologisch als auch personell. Diese Beharrungskräfte waren nach dem Zweiten Weltkrieg notwendig. Wenn man sich heute anschaut, wie schnell Demokratien kippen können, erscheinen sie heute auch noch sinnvoll. Allerdings kippen diese Demokratien auch wegen Bildungssystemen, die starr und rückwärtsgewandt sind. Systeme, die ihren Schüler*innen keine Antworten und Werkzeuge auf moderne Fragen geben. Systeme, die beharren.

Wir brauchen flexible Lehrpläne, flexible Lehrkräfte. In Summe: Wir brauchen flexible Bildung. Damit hört es aber nicht auf. Wir brauchen auch ein modernes Bildungsverständnis. Bildung ist nicht das immer noch vorhandene stumpfe Auswendiglernen von Fakten, manchmal nur als Wissenskompetenz neu angestrichen wurde. Bildung ist, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat. (Heisenberg 1973) Darauf sollten wir uns auch konzentrieren. Jedes Kind sollte lernen, was es braucht. Zum einen braucht, um mit den Herausforderungen dieser Welt klar zu kommen. Zum anderen braucht, um sich lebenslang weiterbilden zu können. Das Meiste aus der Schule wird sowieso vergessen. Das Wichtigste ist Kinder darauf vorzubereiten, dass sie in Zukunft immer weiter dazulernen müssen aufgrund einer sich stetig ändernden Welt.

Das Frustrierende ist, Schule kann das. Schon lange. Statt auf Flexibilität zu setzen, werden aus einem falschen Gerechtigkeitsverständnis und permanentem Kontrollzwang auf beharrliche, strikte curriculae gesetzt, die wesentlich mehr mit Prüfbarkeit als mit Bildung zu tun haben. Genauso werden Lehrer*innen je nach Schule an der kurzen oder sehr kurzen Leine gehalten. Das ist absurd! Lehrer*innen verbringen ein ganzes Jahrzehnt mit Studium, Referendariat und Bewährung. Wir sind hoch ausgebildete, teilweise (über)qualifizierte Führungspersonen, die im Schuldienst dann wieder in das Förmchen eines Sachbearbeiters mit Vorteilen gepresst werden. Nach und nach wird uns die Eigenverantwortlichkeit, die wir alle leisten können, aberzogen. Und ich bin mir sicher, dass wir die alle leisten können. Andernfalls hätte das Referendariat anders geendet. Fachleiter*innen sind entgegen häufiger Meinung (meistens) weder unqualifiziert noch gemein. Die oft zweideutigen Beratungen und uneindeutigen Hilfestellungen helfen dabei, dass man seinen Scheiß selbst regelt und nicht darauf vertraut, dass irgendjemand einem später eine nützliche Hilfestellung gibt. Wer das nicht zumindest rudimentär schafft, der schafft sein Referendariat auch nicht.

Lasst Schule endlich machen, was Schule kann. Schule kann ständige, autonome Weiterentwicklung. Schule muss sich ständig autonom weiterentwickeln. Damit meine ich alle Bereiche der Schule. Ich meine damit, dass sich Klasse 6.2 vielleicht anders entwickelt als Klasse 6.3, weil sie ganz andere Schüler*innen mit ganz anderen Bildungsschwerpunkten hat. Jede Lehrkraft steht dort vor anderen Herausforderungen. Eine Gleichmachung durch die Beharrungskräfte führt dann eher zu dem, was sie früher verhindern sollten. Das heißt aber auch, dass wir Lehrkräfte Selbstverantwortung brauchen. Das verdienen wir und unsere Schüler*innen aber auch. Was wir nicht verdienen, sind ständige Besprechungen in denen Emails vorgelesen werden, damit sichergestellt ist, dass es jeder gehört hat. Was wir nicht brauchen, sind ständige Erinnerungen, das jedes Kind alles gleich machen soll, obwohl kein Mensch ist, wie der andere. Was wir nicht brauchen, ist Kontrolle als oberstes Gut der Schule. Kontrolle der Schüler*innen und der Lehrer*innen. Ich für meinen Teil, möchte dahin zurück, wo mit wir im Lockdown angefangen haben. Denn da hat Schule bei uns richtig gut funktioniert. In Autonomie waren plötzlich Dinge möglich, die vorher nie leistbar waren. Zumindest für mich war das Arbeiten auch angenehmer, da ich nicht mehr der Durchschnitt sein musste, sondern ich sein durfte.

Wenn uns Ministerien, Behörden und Schulleiter*innen nicht vertrauen. Wie sollen es dann die Eltern und die Gesellschaft? Woher kommt dieses Misstrauen? Oder vielleicht wichtiger:

Woher kommt die Angst?

Eine Sache habe ich als Lehrer gelernt. Wer keinen Mut hat, ist als Lehrer*in verloren. Wenn ihr kein habt, macht es nicht zu unserem Problem und dadurch zum Problem der Kinder.

 

Hassökonomie

Heute ist es kaum zu glauben, das Internet war mal so etwas, wie eine Subkultur. Ein sozialer Raum in dem Sinne, wie der Hinterhof eines Gothic Clubs, komplett mit Patchouli-Nebel und Zigarettenstummeln. Als Dorfkind, mehr noch Dorfnerd, war es eine magische Mischung aus Rückzugsraum und Tor zur Welt. Einer der wenigen Wege, wie man als Eigenbrödler eigentlich mehr Kontakt zu anderen Menschen hatte als sonst, wenn auch nicht physisch. Auch damals war das Internet groß und voller Schrecken, es gibt nichts zu romantisieren. Aber eine gute Lebensweisheit war: Die Trolle nicht füttern. Ignoriert das Negative und konzentriert euch auf den positiven Teil der Community.

2020 ist das Internet Lebensraum geworden. Es gibt Milliarden Menschen, die nicht nur mit dem Internet aufgewachsen sind, sondern ein Leben ohne Internet nicht kennen. Das ist in der Konsequenz viel weitreichender als erst später dazu gekommen zu sein. Das Internet ist absolut, nicht steigerbar, es ist gegeben, da es für diese Menschen schon immer da war als Kommunikationskanal, wie Zeitungen, wie Fernsehen oder wie Sprache an sich. Daher lässt sich auch der Wert des Internets, sei es auch nur in Form von Instagram und Tiktok, für viele erklären. Es abzuschalten ist ähnlich abwegig, wie mit geschlossenen Augen durch die Straße zu laufen. Don’t feed the trolls ist das eine, Ignoranz der Realität das andere.

Das Internet ist schon lange real geworden. Es ist ein normaler Kommunikationskanal. Es ist keine abgelöste Welt, sondern Taten im Netz fordern Konsequenzen in der physischen Welt und vice versa. Die Trolle verhungern zu lassen hat keinen Sinn mehr. Zum einen werden sie zu gut gefüttert, zum anderen sind es inzwischen keine Trolle mehr, wie früher. Es sind echte Personen, die diese Einstellung auch ins echte Leben tragen.

George Floyd hat die Trolle nicht gefüttert als er passiv am Boden lag. Trotzdem haben die Trolle ihn gefressen. Rassenhass, systematischer Rassismus und Intoleranz existieren nicht erst seit dem Netz. Aber es erhärten sich die Beweise, das es durch bestimmte Plattformen wieder einen Aufschwung gibt. Und ich trage dafür eine Mitschuld. Ich trage eine große Schuld, durch die kleinen Dinge. Das fängt damit an, dass ich nur den Kopf schüttele, wenn Schulen den Namen mancher Schüler auch nach fünf Jahren nicht richtig schreiben können. Es hört damit auf, dass ich Plattformen wie Facebook unterstütze.

Facebook nahm eine zentrale Rolle in der Wahl von Trump ein, es nahm eine zentrale Rolle im Brexit ein, es nimmt eine zentrale Rolle in rechtsradikalen Diskursen sein. Dabei geht es nicht nur, um die Kommunikationsplattform, sondern auch um die erhobenen Daten. Ich habe kein Problem, mit nerviger Produktwerbung. Ich habe ein großes Problem, wenn die Daten dazu genutzt werden, demokratische Prozesse zu untergraben. Genau das passiert durch Microtargeting und andere Methoden. Ich weigere mich auch damit ein Unternehmen zu unterstützen, dass Hass in Geld verwandelt und Politiker, die Hass in Macht verwandeln. Im Netz entsteht eine Hassökonomie, die vorher nicht möglich war. Und das reicht mir nicht nur, weil dadurch Spinner unterstützt werden. Auch weil dadurch Menschen sterben, Demokratien wackeln und das gesellschaftliche Wohl vermindert wird. Don’t feed the Trolls ist keine Lösung mehr. Was die Lösung ist, weiß ich nicht.

Addendum:

Bei Fremdenfeindlichkeit mag ich zwar resistent sein, aber mir wird immer wieder bewusst, wie abgestumpft und sexistisch ich war. Ich bin ein Internet der Freiwilligkeit gewohnt, eines, das man abschalten kann. Dadurch schwang immer ein Gefühl das „es ist ja nicht so ernst“ mit. Ähnlich wie flamen schon immer ein Teil der Netzkultur war, aber bei weitem nicht so bitterer Ernst und so mies wie heute. Das Maß fehlt, eben wahrscheinlich auch deswegen, weil das Netz inzwischen Real Life ist. Es fällt nicht ins Gewicht, was man ernst meint und was nicht, wenn es hunderte und tausende Menschen machen. Man stimmt in einen Chor ein. Selbst ohne schlechte Absichten. Es würde auch reichen, wenn nur einer von einhunderttausend wirklich etwas im Schilde führt, man stärkt das Echo. Ich habe lange, sehr lange nicht Begriffen, wie ich Logiken aus überschaubar großen Communities auf das ganze Netz übertrage und damit ein Bild weiter verzerre, das so nicht aussieht. Das Netz ist wieder abschaltbar, noch überschaubar. Es ist ein gesellschaftlicher Lebensraum geworden. Ob ich will oder nicht, in diesem Raum wachsen meine Stieftocher und mein Stiefsohn auf. Selbst wenn ich nie auf Facebook mit Penisbildern um mich geworfen habe, habe ich verhalten gezeigt, dass das unterstützt. Trolle dürfen nicht gefüttert werden geht auch hier nicht weit genug. Trollen muss klar gemacht werden, dass sie Trolle sind. Trolle dürfen keinen Lebensraum haben.