Corona hat auch bei mir einiges verändert. Besser: Es ist noch dabei sich zu ändern. Als jemand mit einem großen Hang zur Reflexion war der Teil des Referendariats für mich ein Leichtes. Beruflich bin ich ständig am reflektieren über mein tun und wirken, dass man meinen könnte, ich wäre von Beruf Spiegel. Spiegel sind meist allerdings auch etwas anderes, eher flach. So hat es eine Mischung aus verschiedenen Fehlern und Dummheiten meinerseits und der Naturgewalt, die meine wundervolle Partnerin darstellt, gebraucht, um nicht nur über mich im Job, sondern auch über mich im Privatleben intensiv nachzudenken. Genau, wie ich gerade über den letzten Satz nachdenke. Der war zu komplex und die Kommata bestimmt nicht richtig. Das Denken darüber, was mir wichtig ist und wie ich handele, wurde von einem täglichen Strom an neuen Eindrücken, Dingen zu tun und Sachen zu machen unterbrochen. Man hat selten Urlaub von sich selbst. Dann kam Corona.
Entgegen der nachvollziehbaren Erwartung, ging mein Internetkonsum stark zurück. Das verwunderte mich als Vollblut Nerd doch eher sehr. Neben meiner Arbeit, vielen meine Freunde und auch Sport weg. Ich hatte auf einmal Zeit. Mehr Zeit als ich gebraucht habe. Wann hat man das in seinem Leben schon mal?
Ich habe gemerkt, dass ich dadurch Dinge intensiver erlebe. Ich habe weniger in meinem Leben und am Ende mehr davon. Viele Gewohnheiten habe ich als Quick Fix zwischendurch genutzt. Mein Job lässt mir immer wieder sehr wenig Freiraum und hat das Potential auch 28 Stunden eines Tages zu verschlingen. Ich nutze kurze Unterbrechungen, damit ich am Ende des Tages sage, ich habe heute gearbeitet. Und? Wie und? Gearbeitet!
Es sind Unterbrechungen, die mein Leben lebenswerter machen sollen indem sie verhindern, dass ich nur arbeite. Aber sie fügen meinem Leben nichts hinzu. Dabei sind mir gerade Social Media Verhaltensmuster aufgefallen, die ich von früher habe aber heute nicht mehr funktionieren. Das ist ein Beitrag für sich, es geht aber weniger darum, dass ich zu viel Social Media nutze, sondern dass es mir kaum noch etwas bringt. Davon ist instagram meine Lieblingsplattform und so kommen wir endlich zum Titel der Geschichte. Als Hobbyfotograf ist instagram natürlich das gelobte Land und trotzdem inzwischen für mich überflüssig (wieder: anderes Blogposting.) Über die letzten Monate habe ich immer weniger und weniger gepostet, aber auch sehr viel weniger geguckt. Ich habe das Gefühl, ich muss gucken. Nicht, weil ich sonst was verpasse. Das Wichtige erfahre ich, wenn auch später, irgendwann im Gespräch. Nein ich hatte (oder habe immer noch) die Sorge, dass sich dann die wichtigen Menschen in meinem Leben zu wenig wertgeschätzt fühlen. Zum einen, wenn ich zu wenig like. Zum anderen, wenn ich keine Bilder poste.
Natürlich poste ich gerne Bilder. Fast so gerne, wie ich sie mache. Aber wenn ich aus Zeitgründen Probleme habe, die Bilder zu posten, denke ich nicht als erstes: „Oh Schade, es macht mir so einen Spaß Bilder zu posten.“ Ich denke: „Hoffentlich denkt meine Familie jetzt nicht, dass ich den Urlaub mit ihnen nicht schön fand.“ Das ist dumm. Ich habe einen Job, der viel Zeit kostet, unter anderem auch, um mir viel leisten zu können (ok dafür gibts auch bessere Jobs). Den Freiraum, der mir bleibt, nutze ich für meine Familie, für meine Freunde und für mich. Anstatt 10 Minuten lang Bilder zu posten, könnte ich auch 10 Minuten meditieren, was mir hilft ein besserer Vater und liebevollerer Partner zu sein. Aber ich verbringe die Zeit mit dem innerlichen Zwang Bilder zu posten aus Angst, jemand könnte denken, dass ein realer Moment weniger real und wichtig dadurch wird, dass ich ihn nicht im Netz dokumentiere. Picture or it didn’t happen. Dafür bin ich nicht online gegangen, auch wenn es mich jetzt erwischt.
Das ist nur in mir. Ich baue diese Sorge auf. Dabei verbringe ich lieber 10 Minuten extra mit meinen Patchworkern als 10 Minuten Bilder über sie zu posten. So bleibt dann der Gedanke, dass ich zunehmend instagram abstinent werde und sich durch Corona noch einiges ändern wird. Jetzt wo ich ein Mal Zeit für alles hatte, das mir lieb und teuer ist, habe ich den großen Drang so sehr aufzuräumen, bis ich auch ohne Corona wieder Zeit für das Wesentliche haben werde. Das sind ganz voran Familie und Liebe, aber nicht die Dokumentation davon in glorifizierten digitale Poesiealben.