Haltung. Zeigen.

den Angriff Russlands auf die Ukraine haben, denke ich, alle mitbekommen. Jetzt kreisen in den Schulen scheinbar viele Diskussionen darum, wie damit umzugehen sei. Nicht nur wie, sondern auch ob die Ereignisse thematisiert werden sollen. Was das richtige Vorgehen sei und vor allem, die richtige Perspektive. Ich verstehe die Angst vor diesem Thema, aber ich teile sie nicht. Ebenso akzeptiere ich die Sorge, um einen Kontrollverlust. Kontrolle gibt es aber genauso wenig, wie unser Pult eine Schutzmauer gegen die Lebenswelt der Schüler*innen ist.

An den Schulen sind nicht nur Geflüchtete oder deren Nachkommen. Sondern auch Kinder deren Eltern jetzt bei der Bundeswehr in Alarmbereitschaft sind. Es sind junge Erwachsene, die sich mit ihren Familien über die Bewertung der Lage streiten, weil die einen die Süddeutsche lesen und die anderen Telegram Kanäle. Es sind Familien, die russisches und ukrainisches Migrationserbe haben und sich daran nun teilen. Unser Pult ist keine Schutzmauer vor der Lebensrealität der Schüler*innen. Es ist nicht optional, es ist unsere verdammte Pflicht:

die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln.

Bildungsauftrag der Schule §2 Abs. 1 NSchG.

Wer dabei Angst empfindet, ist realistisch. Wer dafür aber nicht den Arsch in der Hose hat, sollte vielleicht seinen Berufsethos überdenken. Es ist einfach, sich als Lehrkraft überlegen zu fühlen. Jedoch ist Schule nicht nur da, wo ein Lösungsheft bereit steht und Erwartungshorizont belegbar ist. Schule ist Lebensrealität. Es geht darum Haltung zu zeigen. Aufzustehen. Es geht nicht darum, die richtige Antwort zu zeigen, sondern mit den Schüler*innen zu sprechen. Menschen- und Völkerrecht sind nicht verhandelbar. Beide werden von Russland seid Jahren missachtet. Wer jetzt keine Haltung zeigt, der zeigt auch keine Haltung gegenüber der Demokratiefeindlichkeit, der Homophobie und der Fremdenfeindlichkeit, die von dort aus seit Jahren betrieben werden. Unsere Freie Demokratische Grundordnung wird seit Jahren unterwandert und das kommt über diverse Dienste auch bei uns an. Es sind Eltern, die Corona leugnen, es Schüler*innen, die mit Reichsbürgermentalität erzogen werden und es sind Menschen, die den Staat ablehnen. Wenn ihr im Unterricht Fehler macht, dann ist das nur menschlich. Es ist auch viel besser als Fake-News das Feld zu überlassen.

Es ist Teil unserer Lebensrealität, dass wir in einem Staat Leben in dem Politiker erschossen wurden, weil sie freundlich gegenüber Flüchtlingen waren. Wir leben in einer Gesellschaft in dem Menschen ihren Migrationsschatz mit uns teilen und währenddessen von einer Terrorgruppe umgebracht werden und dann als Döner-Morde kategorisiert werden. Ich bin mir bewusst, dass Migration an Schulen nichts einfacher macht. Ich spreche drei Sprachen, kann Hurensohn inzwischen aber auf neun Sprachen übersetzen. Ich löse an meiner Schule Konflikte Schiiten und Sunniten. Nichts davon wird mir entlohnt und es kommt nur auf das Konto der unzähligen Überstunden. Dafür tragen aber nicht die Kinder die Verantwortung.

Wir brauchen das Rückgrat, um hier nun für neue Menschen mit einem anderen Migrationserbe grade zu stehen. Es liegt an uns Ungerechtigkeit und Hass etwas entgegen zu setzen. Solange unsere Sorge Kontrollverlust in 45-Minuten-Zyklen ist, ist noch alles gut. Zeigt Haltung. Sorgt dafür, dass es so bleibt. Und ja: Alles wird schwerer. Aber Migration ist ein Schatz, der auch alles schöner macht.