Liebe. Voll.

Now that we’re worlds apart

I feel like a lesser man all balance outta control

World’s Apart – Emil Bulls

World’s Apart von Emil Bulls ist seit sehr langer Zeit mein Lieblingslied. Es ist Teil meiner musikalischen Heiligen Dreifaltigkeit. Technisch ist es wohl kein herausragender Song, aber er zeigt ungefiltert einen großen Teil meiner Persönlichkeit. Fast genauso lange ist es her, dass ich einfach schreiben musste. Mein alter Blog war dazu da, um das Ungefilterte zu sortieren und ihm eine konstruktive Form zu geben. Um die rohen Emotionen in etwas Nützliches zu verwandeln. Wegen der rohen Emotionen belächelt man als etwas älterer Mensch auch Teenager-Liebe. Weil Liebe eben sehr viel ist, besonders ohne die Gewissheit, dass man das Ganze – egal wie es läuft – schon überlebt. Mit dieser Gewissheit, verliert Liebe etwas den fiesen rechten Haken. Dachte ich und bekam jetzt einen Roundhouse Kick ins Gesicht.

State of mind strange and vain

Good night sleep tight

I can’t get a shut eye

Ich bin von Gefühlen überwältigt, die so viel größer sind als ich, der nur machtlos daneben steht und sich jetzt Wort für Wort und Zeichen für Zeichen seine Zurechnungsfähigkeit zurückerobert. Die Emotionen schlagen so hoch, dass ich anfange nicht wenig Demut zu empfinden, bevor ich vielleicht von einer Welle wegfegt werde. Teenager-Liebe kommt mir immer wieder in den Kopf während ich keinen Schlaf finde.

My spirit dissappears like breath on a mirror

Ich habe mehr Date-Erfahrungen als ich willig bin zu erzählen. Spätestens seit 8 Jahren baue ich da ein gewisses Expertentum auf, das ich mir lieber erspart hätte. Aber ich weiß, wie es knistern kann, wenn man wen kennenlernt, wie spannend Sex mit wem neues sein kann und wie schnell auch ein Gefühl von Verknalltheit wieder verschwinden kann. Genau wie früher mehr Lametta war, ist der Anfang immer schön. Ich habe Menschen kennengelernt, bei denen ich sofort sicher war (und richtig lag), dass daraus etwas Festes wird. Ich bin zwei mal nach wenigen Wochen mit jemandem zusammengezogen (und ein Mal war es eine gute Idee).

I need you more than you will ever know

Ich bin mir aber auch bewusst, dass anfängliches verknallt sein, verliebt sein oder wie ihr es auch immer nennt, nicht Liebe sein muss. Manchmal schwanken Gefühle, mal lernt man neue Facetten kennen, mal ändert sich das Zusammenspiel plötzlich. Wenn ich mich auf etwas schnell einlasse, dann nicht weil ich naiv bin, sondern weil es ein Risiko ist, das ich eingehe. Aber ich bin auch die hier sitzt, von der Naturgewalt Liebe entwurzelt wurde und sich sagt, dass es sich nur um einen Serious Case of Penisgesteuerte Verknalltheit handelt.

You’ve come to mean the world to me

Wie kann es denn sein, dass man jemanden auf Twitter kennenlernt und sich daraus die gefühlstechnische Götterdämmerung entwickelt? Auch hier bin ich mir, dank negativer Erfahrungen, wieder bewusst, dass online alles anders sein kann als offline. Mit anderen Worten, Lametta ist manchmal auch nur Alufolie vom Käsebrot, das 6 Wochen im Schulranzen vergessen wurde. Aber genau deswegen trifft man sich ja vorher auch mit anderen Leuten. Also ich zumindest. Dann verschwindet der Twitter-Crush schon in der unendlichen Flut der täglichen Eindrücke. Gut, in dem Fall habe ich mich dann geirrt. An andere Menschen denken, ist auch ein Konzept, das keine Zukunft hat. Aber genau deswegen ist man ja erwachsen genug, sich völlig rational auf ein Treffen einzulassen, um die Position mal ordentlich zu reflektieren. Problematisch sind dabei vielleicht die 976km Entfernung.

I wonder if you’re sleeping while I’m crying in my beer

Fair geteilt, ist das ja handhabbar. Zumindest für das eine Mal und ein zweites wird es sicher nicht geben. Lametta und so. Scheinbar dachten wir das auch beide so, es ist ja auch einfach. Keiner ist eine härtere Bitch als die Wirklichkeit. Wenn die uns links und rechts eine verpasst, dann muss man nicht mal mehr die richtigen Worte suchen, sondern das Wichtige ist offensichtlich und die Arbeit übernimmt unsere kleine Freundin die Enttäuschung. Pustekuchen. Es ist jetzt 26 Stunden nach dem „Tschüß“ und ich habe immer noch eine massive Leere im Magen, die schwerer wiegt als jeder Stein und nach und nach zum Schwarzen Loch wird. Ich habe jemanden getroffen, der anders ist als erwartet, der aber einfach nur ist und mir ganz nebenbei mehr gibt als ich in Worte fassen kann. Jemanden, der Zitat „Nichts besonderes“ macht und gerade an „Nichts“ denkt und damit mehr richtig macht als würde man mir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Jemand, der einfach nur sein kann. Mit dem man zusammen sein kann. Und dadurch mehr ist. Dein Nichts ist für mich mehr als die ganze Liebe anderer. Wenn ich keine Fotos machen kann, weil ich mich nicht von den Augen von jemandem lösen kann, dann ist das auch eine neue Erfahrung für mich.

We’re worlds apart

I wish you were here

Das Schwarze Loch im Magen lässt mich zittern und nicht wenig Tränen vergießen, weil ich überwältigt bin während ich mir immer wieder sage, dass so etwas noch lange keine Liebe sein kann. Verknallt sein kann schnell verschwinden und so kann das hier auch sein. So hat auch dieses Lied einen weiteren, etwas negativeren Teil und welche davon mehr Stimmen wird, das vage ich heute nicht zu sagen. Andererseits ist das hier ein langer Text voller Irrtümer. Dass ich von Emotionen mitgerissen werde, passiert schon mal. Das gehört zum kalkulierten Risiko. Dass ich von positiven Emotionen überwältigt werde, das ist neu. Genauso wie es für mich neu ist, dass ich manchmal nur schwer atmen kann, weil ich jemandem so sehr vermisse. Beim nachdenken über Liebe, komme ich immer wieder bei der Teenager-Liebe an. Die ungebremst, roh, naiv und fatalistisch ist. Man liebt jemanden voll – ist nicht nur liebevoll in seiner Anteilnahme – sondern liebt voll, mit jeder Faser seines Körpers. Nimmt dadurch Anteil, den anderen in sich auf, ist ungebremst in dem Moment und kann sich nicht mehr wehren. Ob das wieder verschwindet? Bestimmt nicht spurlos. Aber so sollte Liebe sein und das weiß ich wieder.

Liebe voll.

 

Druck

Ich liege völlig verdreht und in mich gekehrt (auch im physischen Sinne) auf dem Bett. Draussen zirpen die Grillen, Drinnen rauscht und plätschert der Geschirrspüler. Außerdem brummt es. Leise, monoton und unaufhörlich. Das müsste dann die Katze sein. Durch den Kopf geht mir aber nur das Wort „Druck“, wie ich es erkläre, wie ich es aufschlüssle und vielleicht selbst erst einmal begreife.

Ich denke in den letzten Monaten sehr viel darüber nach, da ich immer mehr und mehr Druck verspüre. Stress kenne ich, Leistungsdruck auch. Aber der Druck ist anders. Er ist nicht auf eine bestimmte Sache bezogen, sondern allgegenwärtig. Ich stelle mir viele Fragen. Empfinde ich nun einfach nur viel verschiedenen Druck, auf viele Dinge bezogen? Ist da eine Sache, die mir alles unter Druck setzt? Antworten habe ich keine. Allerdings hat mir das Schreiben immer dabei geholfen, Antworten zu finden. Und wenn nicht – dann zumindest dabei, die richtigen Fragen zu stellen.

Eine der Fragen wäre, was denn mein dafür sorgt, dass der Druck immer mehr ansteigt als wäre ich der Dampfdrucktopf meiner selbst. Warum lässt er nicht nach, wenn etwas erledigt ist. Ist das Ventil verstopft oder in meinem Alter eher verkalkt? Die andere Frage wäre, warum ich denn so wenig Zeit zum Schreiben und Meditieren aufbringen kann. Die dritte Frage wäre, was ich denn befürchte. Ich habe mal gesagt, dass hinter fast allem die Angst steht, mit etwas nicht fertig zu werden. Der Druck kommt auf jeden Fall auch durch die Angst, es alles nicht zu schaffen. Aber wenn ich dann an die Konsequenzen denke, dann habe ich vor denen keine Angst. Egal, was mir beruflich Blühen würde, ich denke inzwischen, ich komme mit dem Schlimmsten immer klar. Dafür habe ich zu viel Mist zu Stroh zu Gold gesponnen.

Während ich diese Zeilen schreibe, dämmert mir, dass die Angst vor dem Schlimmsten wirklich nicht das Problem ist. Es ist die Angst vor dem Zweitschlimmsten. Neu anfangen fällt mir inzwischen leicht. Aber nicht neu anzufangen und in einer schlechten Situation gefangen zu sein, das eher nicht. Mit dem Zweitschlimmsten meine ich, etwas zu verlieren, aber nicht alles. Auf Wertvolles zu verzichten, aber nichts neues schaffen zu können. Auf der Stelle zu treten. Besonders, wenn die Stelle voller Hundescheiße ist. Und ich barfuß laufe. Und die Hunde Nägel gefressen haben. Und meine Tetanus Impfung abgelaufen ist.

Darüber denke ich jetzt nach. Unter dem Brummen der Katze, dem plätschern des Geschirrspülers und dem Schreien der Nachbarn, die die Grillen übertönen. Und hoffentlich bald wieder hier.

 

Für eine Handvoll Bytes

Ich habe Mist gebaut. Mehr als das. Als ich gestern an einem etwas hochwertigerem Beitrag für den Blog arbeiten wollte (ja, ehrlich), musste ich den Tod meiner einen Festplatte feststellen. Ohne vorheriges Anzeichen, trat sie in die ewigen Datengründe über. Wie der Zufall so will, war sie die wichtigste der sechs Festplatten in meinem Rechner. Die mit den Fotos. So verlief nicht nur das Blogposting, sondern auch der ganze Tag anders als erwartet. Statt einem letzten entspannten Wochenende, begannen zwölf Stunden Wiederbelebungsversuche, die letztendlich vergebens waren. In über 25 Jahren mit einem eigenen PC, ist das mein erster Datenverlust. Aber ich habe ja noch meine Backups.

Oder auch nicht. Man sollte im Referendariat nichts Wichtiges machen. In einer prokrastinationsbasierten Sortieraktion habe ich zwar meine Fotos aufgeräumt, aber sie aus dem Backup rausgeräumt. Mit anderen Worten, ich habe kein Backup mehr.

Zwölf Jahre Fotos sind nun weg. Meine Gefühle sind gemischt. Es sind so viele schöne Fotos dabei, die ich noch bearbeiten, drucken und aufhängen wollte. Es ist so viel Mist dabei, den ich immer löschen wollte, es aber nicht konnte. An den Fotos haften nicht nur positive Erinnerungen und der ganze Ballast ist nun weg. Es warten nicht mehr ein-, zweitausend Fotos, die noch gesichtet und bearbeitet werden müssen. Dieser Kahlschlag ist auch eine kleine Erleichterung und passt zur Zäsur, die mein Leben gerade erfährt. Neuer Job, neue Schule, neue wunderbare Menschen in meinem Leben – warum nicht Altes hinter sich lassen?

Für gut 500€ – 1000€ könnte ich eine professionelle Datenrettung in Auftrag geben. Pro Foto gerechnet, sind das nur ein paar Cent. Aber realistisch bleiben das gottverdammte eintausend Euro. Daher auch das Philosophieren über den Wert der Fotos. Als erstes dachte ich, ich komme realistisch betrachtet nie dazu, alle Fotos zu bearbeiten und zu posten. Das stimmt. Aber liegt da nicht ein Fehler? Hat nur etwas einen Wert, das ich poste, teile und likes bekomme? Nein, weil ich für mich mit der Fotografie angefangen habe und letztendlich auch immer noch für mich fotografiere. Natürlich möchte ich sowohl Bestätigung als auch, dass meine Fotos anderen gefallen. Aber ich fotografiere weiterhin für mich.

Ich werde morgen einen Kostenvoranschlag einholen und sehen, was auf mich zukommt. Ich bin mir noch nicht sicher, was ich mache. Ein Schnitt kann auch für die Kreativität ganz heilsam sein. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Wir sind es so sehr gewohnt, dass Bilder unendlich oft vervielfältigt und geteilt werden können. Plötzlich sind die Fotos an meiner Wand, die letzten ihrer Art.

PS: Seid kein Nerdmeyer, macht immer doppelte Backups.

 

Weiter. Gehen.

Jeder Anfang ist ein neues Ende. Das habe ich ganz beiläufig zu einer Freundin gesagt und muss seitdem darüber nachdenken. Es stimmt. Als ich diesen Blog hier vor einem Jahr startete und damit das Referendariat begann, war mir nicht klar, dass sich die Zeit bis heute wie die längste Woche anfühlen würde. Gestern habe ich meine Prüfung bestanden und heute fühle ich mich, als hätte ich die Zeit in einer Höhle verbracht. Als hätte für mich die Zeit stillgestanden und um mich herum wäre alles weiter gegangen.

All die Menschen, die mein Herz berührt haben und denen ich mich verbunden fühle, kleine wie große, müssen bald Abschied nehmen. Der Abschied hat auch schon begonnen. Langsam gehe ich weiter. Ich möchte nicht. Aber wenn man nicht mit anderen gehen kann, bleibt nur übrig stehenzubleiben. Man mag sich zwar einbilden, dass das geht. Jedoch funktioniert es nie völlig. Aber weitergehen heißt nicht weggehen. Wir nehmen immer etwas mit, tragen es weiter in uns. Das wenigste muss enden, es verändert sich nur. Kontakte kann man halten, wenn auch nicht einfrieren.

Wenn man nicht weggeht, sondern weitergeht wird man weiter gehen. Damit meine ich, man bekommt mehr. Es geht weiter, in Sinne von etwas wächst, es geht über sich hinaus und wird größer. Aber dazu muss man Veränderungen akzeptieren, Erwartungen los lassen und nicht ständig davor Angst haben, was passieren könnte! Es würde schon reichen, nur zu beobachten, was gerade in diesem Moment geschieht. Statt der Angst vor einem Möglichen Schaden, könnten wir auch betrachten, wie etwas ungewohntes in unser Leben passt. Dann geht es weiter. Man geht weiter. Und nicht immer nur weg.