Ich ächze. Nicht nur, weil an der Tastatur zur Zeit gute 30°C sind. Der Klimawandel wird zunehmend spürbar. Sichtbar ist er schon lange, es muss nur auf die Kosten der letzten 20 Jahre durch Extremwetter in Deutschland geschaut werden. Aber deswegen stöhne ich hier nicht. Kurz vor Ende der Ferien, kreisen die Gedanken wieder um die Schule. Einer weiteren Katastrophe, die noch wesentlich spürbarer werden wird.
In den letzten Jahren wurde sehr viel diskutiert, was gute Lehre sei. Medieneinsatz, Unterrichtsformen, Verteilungsschlüssel und natürlich Lehrpläne wurden betrachtet. Zu einem wirklichen Ergebnis kam man nicht. Nein, das ist falsch. Es gab sehr viele gute Ergebnisse, die allesamt nicht umgesetzt wurden und werden. Stattdessen häufen sich Lehrer*innen- und Schulpreise, Leuchtturmprojekte und Modellinitiativen. Dadurch ändert sich gar nichts, durch Corona schon.
Das Bild vom Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, greift hier, ist aber nicht absurd genug. Es ist der Tropfen der Spitze einer Flutwelle, die das Fass mit sich gerissen hat. Zuerst schien es nicht unmöglich, aus den Trümmern etwas Neues aufzubauen. Lehrkräfte hatten auf ein Mal Freiraum didaktisch und pädagogisch Flexibel zu werden. Jedoch zeigte sich im letzten Jahr, wie stark die Beharrungskräfte sind, die zurück ins alte System wollten. Schule vor und mit Corona sind zwei ganz unterschiedliche Welten geworden. Es passt nicht mehr. Trotzdem auf eine gleichgültige und kalte Art das eckige Blöckchen in das runde Loch gehämmert. Der Druck auf alle Beteiligten steigt. Die Politik hämmert, die Eltern ziehen sich zurück, nur Lehrkräfte und Kinder sind gefangen.
Wobei Lehrer*innen natürlich mehr Wahl haben als die Kinder. Daher auch der Lehrkräftemangel. Aber anstatt etwas an den Umständen zu ändern, wird nun versucht, die Lehrkräfte zwangszuverpflichten. Spätestens das besiegelt den Unwillen etwas zu ändern. Spätestens hier dachte ich mir: Mit mir nicht mehr. Die letzten sechs Monate, waren die schlimmste Arbeitsphase meines Lebens. Der Druck entlädt sich zwischen Kolleg*innen, die Kinder spüren wie sinnlos alles ist und die Eltern laden die Verantwortung auf uns ab. Keinem mache ich einen Vorwurf. Alle sind überfordert! Und der Druck steigt weiter. Wie mit mir während und nach meiner Corona-Erkrankung umgegangen wurde, brachte den Stein für mich ins rollen. Egal, ob du 45, 50, 60 Stunden arbeitest, es zählt, was du mal nicht schaffst.
Es ist dank der vielen fleißigen und motivierten Lehrkräfte, dass das System noch läuft. Was ich sonst als Lob meine, klingt für mich jetzt wie eine Anklage. Wir halten das System am laufen. Wir sind die Enabler, die eine toxische Beziehung als normal deklarieren, die ein Alkoholproblem klein reden, die ständig sagen „er hat es ja so nicht gemeint.“ Wir schaden uns damit nicht nur selbst, sondern auch den anderen Kolleg*innen. Wir vermitteln das Bild, es sei normal aus dem Krankenhaus Mails zu beantworten oder mit hohem Fieber noch mündliche Prüfungen zu machen. Wir zeigen, dass es normal ist sechs Tage die Woche zu arbeiten, weil man am Sonntag ja „nicht so viel macht.“ Wir bauen Peer-Pressure auf, der seinesgleichen sucht. All das, um die Maschine am laufen zu halten. All das aus Prinzip und auch für die Kinder.
Aber nutzt das den Kindern? Für das, was wir reinstecken, sind die Aufstiegschancen in Deutschland miserabel. Es hängt nicht von dir ab, egal wie hübsch deine Arbeitsblätter sind, egal wie didaktisch profund dein Einstieg war oder wie wissenschaftlich deine Problemorientierung. Es hängt von dem Einkommen der Eltern ab. Wem hilft es denn wirklich, dass so viel gemacht wird?
Mit mir nicht mehr. Ich erfasse jetzt meine Arbeitszeit und höre nach 42 Stunden auf und bevor es jemand sagt, natürlich erfasse ich auch den Durchschnitt mit den Ferien. Es tut mir für alle Kinder leid, wenn ich in Zukunft weniger da bin und mein Unterricht noch langweiliger wird (ja, in Corona wurde er schon schlimm). Es tut mir für die Kolleg*innen leid, wenn Arbeit liegen bleibt und mal etwas nicht klappt. Aber es muss nicht klappen. Es muss scheinbar auch mal etwas zu Bruch gehen. Nicht absichtlich, aber wenn wir aufhören 120% zu geben, dann geht automatisch irgendwann etwas kaputt. Jedoch wenn wir weiter machen, geht auf lange Sicht Vieles verloren. Daran muss ich ganz besonders jetzt denken. Bei 30°C vor meiner Tastatur. Wegen des Klimawandels, den man nicht mal jetzt ernst genug nimmt, um etwas wirklich zu ändern. Und Schule? Schule läuft doch. Dabei habe ich zum ersten Mal seit den ersten Tagen des Referendariats wieder Albträume über Schule. Nein.
Mit mir nicht mehr.
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